LESERFRAGEN EXPERTENTELEFON „HERZINFARKT“ am 10.05.2012
Man liest so viel über Herz-Kreislauf-Krankheiten. Wovon hängt mein persönliches Infarktrisiko ab? Kann ich das irgendwie „ausrechnen“?
- Dr. med. Michael Elberfeld, niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin in einer Gemeinschaftspraxis in Leverkusen. Mitglied der Lipid-Liga e. V.: Es gibt tatsächlich „Rechner“, sogenannte Scores, mit deren Hilfe der Arzt das individuelle Herz-Kreislauf-Risiko berechnen kann. Dazu werden die persönlichen Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, Blutdruck, Blutzucker und Cholesterin erfasst und das Gesamtrisiko ermittelt. Dies zeigt dann an, mit welcher relativen Wahrscheinlichkeit in den nächsten zehn Jahren eine Herz-Kreislauf-Erkrankung auftritt.
Mein Arzt rät mir zu einer „herzgesunden“ Ernährung. Was meint er damit?
- Dr. Elberfeld: Sie haben sicher schon von der sogenannten gesunden „Mittelmeerkost“ gehört. Die Basis sind hier überwiegend pflanzliche Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse. Dazu kommen Fisch, Geflügel und hin und wieder in kleineren Mengen auch andere Fleischsorten. Frittiertes, Paniertes, Süßes und sehr Fettreiches sollte man auf ein Minimum begrenzen.
Wirkt Sport wirklich positiv auf die Gefäßgesundheit? Welche Sportarten sind für einen Risikopatienten wie mich zu empfehlen?
- Dr. Elberfeld: Sport und hier insbesondere Ausdauersport wirkt sich sehr positiv auf die Gefäße aus. Drei- bis siebenmal pro Woche mindestens jeweils 30 Minuten Wandern, Walken, Joggen, Radfahren oder Schwimmen können den Anteil des schädlichen LDL-Cholesterins senken, vor allem aber das günstige HDL-Cholesterin erhöhen. Dadurch reduziert sich das persönliche Herz-Kreislauf-Risiko und bereits vorhandene Ablagerungen in den Gefäßen werden stabilisiert und gewissermaßen „entschärft“.
Früher hieß es, um den Cholesterinspiegel zu senken, sollte man keine cholesterinhaltigen Speisen wie Eier oder Butter essen. Gibt es dazu neue Erkenntnisse?
- Dr. med. Tobias Wiesner, Facharzt für Innere Medizin, Internist am MVZ Stoffwechselmedizin Leipzig: Die strikten Essensreglementierungen sind inzwischen passé. Inwieweit wir Cholesterin aus der Nahrung aufnehmen, hängt nicht nur vom Cholesteringehalt der Speisen ab, sondern von der individuellen genetischen Veranlagung der Patienten. Grundsätzlich ist Cholesterin ein lebensnotwendiger Stoff, der vom Körper selbst produziert wird. Problematischer als das Frühstücksei sind Nahrungsmittel mit gesättigten Fettsäuren in sogenannten gehärteten Fetten – etwa in Wurst oder Schweinebraten. Man kann seine Cholesterinwerte eher mit einer Gewichtsreduktion, sportlicher Betätigung und dem Verzicht aufs Rauchen positiv beeinflussen als mit dem Verzicht auf Eier.
Stimmt es, dass Diabetes die Gefäße schädigt und damit das Infarktrisiko erhöht?
- Dr. Wiesner: Leider hat Diabetes großen Einfluss auf unsere Gefäße. Durch die permanente Verzuckerung des Blutes kommt es bei schlecht eingestellten Patienten zu Veränderungen der Gefäßwand. Die einst glatte Oberfläche wird rau, sodass sich Ablagerungen bilden, die zu einer Verengung des Gefäßdurchmessers und schließlich zum Verschluss des Gefäßes führen können. Dies betrifft nicht nur die Herzkranzgefäße und damit einen drohenden Infarkt, sondern auch alle anderen Gefäße. Mit einer guten Blutzuckereinstellung und der Optimierung der Cholesterinwerte kann man das Infarktrisiko jedoch verringern.
Es gibt gute und schlechte Blutfette. Worauf muss man achten, wenn man einem Herzinfarkt vorbeugen will?
- Dr. Wiesner: Das sogenannte „gute“ Blutfett ist das HDL-Cholesterin, das „schlechte“ ist das LDL-Cholesterin. Die differenzierte Bestimmung dieser beiden Werte und nicht allein das Gesamtcholesterin gehört unbedingt zur Erstellung und Beurteilung eines Risikoprofils. Leider ist der Einfluss, den jeder Einzelne auf sein HDL und LDL nehmen kann, nur eingeschränkt, da die Cholesterinausschüttung größtenteils genetisch festgelegt ist. Die Einflussmöglichkeiten, die zur Verfügung stehen, sollten jedoch umfassend genutzt werden. Dazu gehören eine kaloriengerechte Ernährung mit einem hohen Anteil an Ballaststoffen und mehrfach ungesättigten statt gesättigter Fettsäuren ebenso wie regelmäßige körperliche Aktivität.
Mein Arzt meint, ich müsste Medikamente zur Cholesterinsenkung nehmen. Wie wirken solche Tabletten und haben sie Nebenwirkungen?
- Dr. med. Rainer Dresler, niedergelassener Internist in einer Gemeinschaftspraxis in Mönchengladbach: Generell gibt es verschiedene Medikamente zur Senkung eines erhöhten Cholesterinspiegels. Eine Medikamentenfamilie, die sogenannten Statine, sorgt dafür, dass die Leber weniger Cholesterin produziert. Eine andere Gruppe, die sogenannten Cholesterinresorptionshemmer (Cholesterinaufnahmehemmer) bewirkt, dass weniger Cholesterin aus dem Darm aufgenommen wird. Nebenwirkungen der Therapie mit Statinen können Muskelschmerzen oder Leberwerterhöhungen sein, die gelegentlich zu einem Absetzen zwingen.
Woher weiß ich, welche Cholesterin-Zielwerte für mich die richtigen sind?
- Dr. Dresler: Die Cholesterin-Zielwerte richten sich nach dem individuellen Herz-Kreislauf-Risiko des jeweiligen Patienten. Ihr Arzt kann Ihr individuelles Risiko errechnen und wird Ihnen dazu sicherlich gerne Auskunft geben. Zum Beispiel sollte das LDL-Cholesterin bei Patienten, die bereits einen Herzinfarkt hatten, unter 100 mg/dl liegen. Nach neuesten Leitlinien wird sogar ein Wert unter 70 mg/dl angestrebt.
Meine Schwester bekommt seit Kurzem eine Kombinationstherapie zur Cholesterinsenkung. Was soll das bringen?
- Dr. Dresler: Bei einer Kombinationstherapie wird mithilfe von zwei unterschiedlichen Wirkmechanismen versucht, eine Cholesterinsenkung zu erreichen. In der Regel ist einer der Partner ein Statin, das dafür sorgt, dass die Leber weniger Cholesterin produziert. Der andere Partner kann z. B. Nicotinsäure (bewirkt eine Senkung des LDL-Werts und der Triglyzeride und eine Erhöhung des HDL-Werts) oder ein Cholesterinaufnahmehemmer sein, der dafür sorgt, dass weniger Cholesterin aus dem Darm aufgenommen wird. Kombinationstherapien sind vor allem sinnvoll, wenn Statine alleine zur Zielwerterreichung nicht ausreichen oder hohe Dosierungen eines Statins nicht vertragen werden.
Nach einem Herzinfarkt soll ich 20 Kilo abspecken. Doch was hat mein Gewicht mit meinem Herzen zu tun?
- Prof. Dr. Breuer: Eine Gewichtsreduktion führt über längere Zeit zu einer Verminderung des Risikos für einen neuen Herzinfarkt. Denn die meisten Risikofaktoren, zu denen neben erhöhten Cholesterinwerten, Bluthochdruck und Diabetes auch Herzrhythmusstörungen und Vorhofflimmern gehören, gehen häufig mit erhöhtem Körpergewicht einher. Dabei sollte eine mäßige Gewichtssenkung um fünf bis zehn Prozent dem Streben nach Ideal- oder Normalgewicht vorgezogen werden. Statt einer einseitigen Diät ist eine ausgewogene, bevorzugt mediterrane Kost mit täglichem Kaloriendefizit um mindestens 500 Kalorien gegenüber dem tatsächlichen Bedarf ratsam. Der tägliche Bedarf lässt sich individuell leicht errechnen. Bei einer aus gesundheitlichen Gründen erforderlichen drastischeren Gewichtsreduktion gibt es bei fehlendem Erfolg einer Lebensstilumstellung auch die Möglichkeit der „Adipositaschirurgie“, beispielsweise mit einem Magenballon, einem Magenband oder einer Magenverkleinerung.
In unserer Familie sind schon häufiger Herzinfarkte aufgetreten. Wie kann ich dieser Vorbelastung entgegenwirken?
- Prof. Dr. Breuer: Leider besteht eine gewisse Erblichkeit für das Auftreten einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Wenn Menschen mit einer familiären Veranlagung auf einen gesunden Lebensstil achten – das heißt normales Körpergewicht, regelmäßige körperliche Aktivität, gesunde Ernährung, kein Rauchen und Alkohol nur in Maßen (30 g für den Mann, 20 g für die Frau pro Tag) –, können sie in vielen Fällen das erbliche Risiko gering halten.
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